Hallo Herbert und alle Anderen!

Eines gleich vorweg: Höckerbildung ist für mich alles, was auch schon in geringster Form von einem normalen, glatten Plastron abweicht, also auch schon anfängliche leichte Ansätze von Panzererhebungen oder -verwachsungen. Treten Höcker auf kann man das in der Regel auf Haltungsdefizite in der Gefangenschaft zurückführen. Ob Schildkröten mit Höckern, ob stark ausgeprägt oder weniger stark, auch tatsächlich Schmerzen leiden, ist schwer zu sagen. Das hängt sicherlich vom "Härtegrad" des jeweiligen Tieres ab und vor allem, ob der/die/das Halter auch irgendwann die positive Kurve bekommen hat, d.h. die höckrige Schildkröte einer gesunden Lebensweise zuführen konnte.

Ich hänge hier mal zwei Beispiele mit "Happy End" an. Kera und Mücke übernahm ich seinerzeit von einem Züchter im zarten Alter von 2 Jahren, vermutlich Geschwistertiere, beides Weibchen. Sie waren damals schon viel zu groß für ihr Alter und zeigten beide bereits deutliche Höckeransätze. Der Züchter gab ihnen in regelmäßigen Abständen kleingeschnittenes Rinderherz zu fressen. Es stand ja zu dieser Zeit teilweise auch in vielen Büchern zu lesen, dass Proteine schon im Nachzuchtalter zugefüttert werden sollten. Ich will mich nicht davon freisprechen und führte teilweise diese "Tradition" noch brav eine Zeitlang fort. Viel zu heiße Strahler in den Frühbeeten und zu trockenes Substrat tat ein übriges. Bald stellte ich die Haltung komplett um. Beide Schildkröten lebten insgesamt 17 Jahre bei mir in der Anlage, legten regelmäßig Eier, waren, außer mal einem Oxyurenbefall, niemals erkrankt. Diese beiden Weibchen waren bei den Böcken auch äußerst beliebt, vermutlich schon durch ihre imposante Größe. Die Höckerbildung behinderte die Böcke auch nicht bei der Kopula, wie man das hin und wieder mal liest. Die Schlupfraten lagen bei ca. 80%. Vor einigen Jahren gab ich die Tiere an einen mir bekannten Halter ab. Sie fühlen sich ausgesprochen wohl.

Die Hauptfehler dürften nach meinen Erfahrungen Trockenheit, übermäßige Proteinfütterung und, ganz wichtig: Lokale Strahler in den Frühbeeten in den Übergangszeiten Frühjahr und Herbst sein, besonders, wenn diese zu tief hängen. Auch Elsteinstrahler sind schädlich, wenn sie lokal gegeben werden. Ich möchte betonen, dass die beiden "Schönheiten" (und es sind tolle Tiere) zu keiner Zeit Terrarientiere waren. Beide lebten immer schon draußen.

LG Andreas

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Wenn dieses Tier, das sich in seinem dritten Lebensjahr befindet, höckrig wird, dann kann es weder Terrarium, weder künstliche Wärme, noch falsche Fütterung sein.

Warten wir also dieses Jahr ab.

Liebe Grüße!

Herbert

Hallo,

ich kann Gundas Beitrag, bis auf Ausnahmen zum Punkt "Wachstumsgeschwindigkeit" voll unterschreiben!
Ich habe doch einige Jungtiere der 4 Europäischen Landschildkrötenarten (incl. Asiatische Steppenschildkröte) aufgezogen. Wer eine Testudo horsfieldii dazu bringt Höcker auszubilden, der hat wirklich Alles falsch gemacht! Breitrandschildkröten sind bei mir in der Regel fast Alle sehr schön glatt aufgewachsen, T.graeca ibera neigen ein klein wenig mehr zu leichten Erhebungen, aber Alles in der natürlichen Bandbreite wie sie auch im Habitat gegeben ist. Bei T.hermanni boettgeri gab es selbst innerhalb eines Geleges, bei gleicher Aufzuchtmethode, z.T. erhebliche Unterschiede und ich hatte Tiere dabei welche trotz möglichst natürlicher Haltung stärker zu Höckerbildung neigten.

VG surge

Hallo,
ich habe hier u.a. zwei thb-Mädels, 7 Jahre alt, vom gleichen Züchter. Beide leben seit dem Schlupf nur in Freilandhaltung, immer miteinander und entwickeln sich völlig unterschiedlich. Die Kleine, 350 Gramm, ist glatt wie ein Babypopo, die Große, 750 Gramm, hat Höcker. Sie stammen von unterschiedlichen Elterntieren, die Große von einem großen alten Wildfang.
Sie benehmen sich auch völlig unterschiedlich. Die Kleine sucht vermehrt feuchte Verstecke auf, die Große sucht nach Wärme und Futter, ist die letzte die abtaucht und die erste, die wieder da ist ... und gleich Hunger hat.
Von Natur aus macht es schon Sinn, so schnell wie möglich zu wachsen, die Geschlechtsreife zu erreichen und sich zu reproduzieren. Aber ich denke, wie sich sich unter unseren Bedingungen entwickeln, das hängt sehr viel von den Elterntieren ab und vom Ursprungshabitat.
@ Herbert: ich finde die Höckerbildung bei Deinen Tieren absolult unbedenklich. Sie sind ja hoch gewachsen, also keinesfalls rachitisch und daher gehe ich davon aus, dass sie keinerlei Organschäden im Sinne von Platzmangel haben. Dieses trifft ja wohl vor allem auf Tiere zu, die nicht nur Höcker haben, sondern auch sehr flach gewachsen sind.

Alles in allem denke ich, dass eine Neigung zur Höckerbildung schon Veranlagung ist.

LG
Dani

Hallo Dani! Hallo alle!

Kleo, die Höckrige, hat eine Veranlagung groß zu werden, sie wächst konstant. Ihre Jungen (S. Foto Tertius) sind sehr schnellwüchsig. Vater: Herkules, der Höckrige.

Also vom Benehmen her gebe ich dir recht: Kleo benimmt sich wie ein gesundes Tier.

Doch würde ich schon Wert drauf legen, bei Kleo von einer pathologischen Höckrigkeit zu sprechen. Wenn die zentralen Schilder nicht richtig wachsen können, ist das nicht im Sinne der Natur.

Die Höckrigkeit von Ida und auch von Tertius ist auf einem anderen Niveau: Es können alle Schilder wachsen. Diese Art finde ich unbedenklich. Ja ich finde Idas Panzer schön, so wie er gewachsen ist.

Ich versuche zusammenzufassen:

1. pathologische Höckrigkeit im Gesatz zu minderer Höckerbildung
2. Mindere Höckrigkeit kommt in der Natur vor, ist aber wesentlich seltener als in der Haltung, von pathologischer Höckrigkeit wurde in der Natur nicht berichtet.
3. Pathologische Höckrigkeit - das darf angenommen werden - hat mit falscher Haltung zu tun (Trockenheit, Nahrung....)
4. In der Haltung tritt die mindere Höckrigkeit öfter auf als in der Natur, selbst bei Meidung aller vermuteter Ursachen. Es gibt also Einflüsse, die zwar mit der Haltung zu tun haben dürften, aber noch nicht erforscht sind (klimatische Faktoren, unsere üppigere Vegetation?...)
5. Im Normalfall sind die Tiere auch bei pathologischer Höckrigkeit nicht beeinträchtigt.
6. Beobachtungen legen nahe, dass es auch eine gewisse Veranlagung zu minderer Höckrigkeit gibt.

Das würde auch eine Beurteilung der Höckrigkeit verändern: Ich würde z.B. mindere Höckrigkeit im Rahmen der normalen Variabilität einordnen und nicht nur das "babypopoglatte" Ideal hochhalten. Geschmäcker sind zwar individuell, aber doch nicht von generellen Tendenzen frei. D.h. wenn in jeder Art von minderer Höckrigkeit eine Krankheit gesehen wird, wird ein solches Tier nie gefallen. Was schade ist - und auch letztlich zu Lasten der Tiere geht.

Liebe Grüße!

Herbert

PS.: Diese Zusammenfassung soll zu weiteren Diskussionen anregen, falls gewünscht.

Hallo Herbert,

ich hatte zunächst Deine Bitte, näher auf das weitere Wachstum der Jungtiere einzugehen, überlesen und will hierzu auch noch meinen Senf kurz dazugeben:

Alle Jungtiere wachsen unterschiedlich auf und oftmals sind es die "stets präsenten Fresser", auf die ich mein Augenmerk richten muss. Mir fällt es schwer, bei Höckerbildung gleich welcher Ausprägung von einer Veranlagung auszugehen. Weshalb sollten sich (z.B.) Haltungsfehler vererben? Meine oben abgebildeten Weibchen produzierten ebenfalls div. Abkömmlinge, die glatt heranwuchsen. Dagegen scheinen sich Verhaltensweisen und Futtervorlieben der Elterntiere zu vererben, was dann natürlich dazu führt, dass ein (leicht) höckriges adultes Tier auch Nachzuchttiere produziert, die die gleichen "Fressanlagen" haben bzw. ruhigere Nachzuchten produzieren, die sich - wie @cassi auch schon schrieb - überwiegend "rar" machen, sich öfter irgendwo eingraben, später zum Futter auftauchen und ergo über die Saison weit weniger Futter als ihre präsenten Geschwister aufnehmen. Vermehrte Futteraufnahme dürfte vermutlich bei der Höckerbildung eine weitaus geringere Rolle spielen als das Sich-verbergen in feuchtem Substrat, aber es scheint irgendwie damit zusammenzuhängen. Präsentere Tiere auf Futtersuche setzen sich auch zwangsläufig länger der Sonne aus. Man trifft jetzt auch vermehrt höckrige Tiere in ihren Lebensräumen an. Wenn die natürlichen Lebensräume der Schildkröten wegbrechen oder zusammenschmirgeln, Wärmeinseln fehlen und die Tiere in die Monokulturen der Bauern einbrechen müssen und vermehrt nicht für sie bestimmte falsche Nahrung aufnehmen, wundert mich das nicht.

Grundsätzlich messen wir m.E. den Genanlagen vielleicht auch zuviel Bedeutung bei. Reptilien machen den Umweg übers Ei, das heißt, dass nicht nur die Elterntiere, sondern vor allem wir selbst die Charaktere der Jungtiere festlegen oder zumindest maßgeblich beeinflussen können. Das ist ein Punkt, der mich an der Schildkrötenhaltung bislang mit am meisten fasziniert. Temperatur, Feuchtigkeit, Nachtabsenkung können das Reptil verhaltensbedingt formen. Züchter tragen also schon während der Entwicklungsphasen einer Schildkröte im Ei für diese die Verantwortung, nicht erst danach.

Ich sehe in der Höckrigkeit einer Schildkröte in erster Linie ein Indiz dafür, dass die naturnahe Lebensweise irgendwo aus dem Gleichgewicht geraten ist.

LG Andreas

Hallo!

Es ging mir letztlich um einen Tabu-Bruch. Auf vielen - auch in anderen Foren - geposteten Fotos findet man sehr häufig diese mindere Höckrigkeit. Ich würde sogar sagen, auf der Mehrzahl der Fotos. Diskutiert wird darüber kaum, wenn von Höckrigkeit gesprochen wird, wird sie meist verurteilt.

Es wäre spannend, wenn ihr Fotos von höckrigen Tieren postet und ihre Geschichte erzählt. Aber auch von Tieren, die nach der Haltung höckrig werden hätten müssen, aber es nicht geworden sind. (Christine hat so ein Pic geschickt.)

Liebe Grüße!

Herbert

Noch etwas ist zu bedenken: Wie ich beobachten konnte, tritt diese mindere Höckrigkeit erst im dritten Jahr auf. Sie tritt also nicht beim Züchter auf, sondern beim neuen Halter und wird dann diesem in die Schuhe geschoben.

Aber wird dann diese Höckrigkeit nicht schon vorher angelegt? Wie gesagt: Mein nicht höckriger Jahrgang 2012 wurde 2014 höckrig zu einem Zeitpunkt, als er sich völlig selbst überlassen im Gehege befand, noch dazu mit einem wenig wirksamen provisorischen Frühbeet.

Liebe Grüße!

Herbert

Hallo,

dann werde ich meine beiden allerliebsten Schildkröten vorstellen:

Das erste ist ein Weibchen, das zweite ein Männchen.
Ich habe die Tiere im Oktober 2011 übernommen, waren meine ersten Schildkröten. Der Kopf sagte, dreh dich um und geh, das Herz sagte, hol die armen Kreaturen hier raus. Halt die übliche Geschichte... Die (ehemals) drei Tiere (aus einem Schlupf in 2007) saßen in einem 120 x 60 x 60 Terrarium auf Buchenholzspänen mit künstlichen Orchideen und hatten eine 60 Watt Funzel. Gefüttert wurde Eisbergsalat und Apfel, eine Wasserschale wurde nur einmal am Tag zum Trinken angeboten. Den ersten Winter musste ich sie noch drinnen halten, weil sie völlig verwurmt waren, seit Frühjahr 2012 sitzen sie draußen in einem Freigehege mit kleinem Gewächshaus und machen auch da die Starre, welche sie bis dahin noch nie hatten.
Ich erfreue mich jeden Tag an den beiden; sie sind den ganzen Tag im Freigehege unterwegs, fressen, klettern, schlafen. Das Männchen "übt" lautstark seit letztem Sommer :)
Hergeben würde ich die beiden nie wieder, obwohl ich mittlerweile auch zwei glatt gewachsene Tiere von einer ganz tollen Züchterin dazu genommen habe und den Unterschied damit jeden Tag vor Augen habe.

Gruß,

Sabine

Uuuups, die Bilder sind wohl zu groß, also bitte anklicken :))|addpics|6iy-1-8592.jpg,6iy-2-9551.jpg|/addpics|

Hallo!

Ich möchte der Aussage widersprechen, dass neu erworbene Höckrigkeit nicht vererbt werden kann.

Googelt einmal "snake" und "leg". Da werdet ihr eine Schlange finden (ich meine nicht die auch abgebildeten Schleichen, bei denen ist das keine Ungewöhnlichkeit), also eine Schlange finden, die ein Bein hat. Abermillionen Jahre hat die Schlange keine Beine - und jetzt plötzlich eine Schlange mit einem Bein und sogar dem Ansatz eines Hüftgürtels.

Heute kann man diese Phänomene besser verstehen, es geht um Epigenetik: Wir haben - und jedes Lebewesen - eine Vielzahl von Genen, die wir anscheinend nicht brauchen, die nichts bewirken, also gleichsam "tot" sind. Diese Gene sind "abgeschaltet" und kommen nicht zum Einsatz. Wie haben alle Unmengen von genetischen Informationen in unserem Körper, von denen nicht Gebrauch gemacht wird.

Manchmal aber passiert es aber, dass so ein Gen aktiviert wird - und dann kommt es zu einem Attavismus, wie das Bein bei der Schlange. Der Bauplan für Beine ist also in den Schlangen vorhanden, nur ist er im Normalfall abgeschaltet. Ein Fisch in einem afrikanischen See hat bei geänderten Umweltbedingungen binnen weniger Generationen eine vorteilhafte Eigenschaft erworben, die es ihm erlaubt, mit den neuen Bedingungen gut zurechtzukommen. Das passiert dann nicht durch Mutation und Auslese, das wäre in dieser kurzen Zeit nicht möglich. Dasselbe ist mit Falter, die in einer neuen Umgebung in relativ kurzer Zeit die Farbe ändern können.

Wie mir vielfach bestätigt wurde, sind Nachzuchten von Kleinmanni in der zweiten Generation schon viel leichter zu halten als die Wildfänge. Auch das kann nur durch Epigenetik erklärt werden.

Erklärte man Wissenschaftler noch vor nicht geraumer Zeit für verrückt, die epigenetische Ideen vertraten, so rechnet man z.B. heute fest damit, dass die Umwelteinflüsse, denen Schwangere ausgesetzt sind, epigenetische Mechanismen in Gang setzen und die Wirkung des Erbgutes der Föten beeinflussen.

Und das Entscheidende: Diese neu erworbenen Eigenschaften können vererbt werden! Und das geht ratz zack in einer Generation. Und das hat nichts mit Mutation und Auslese zu tun - ein Vorgang der laaaaaaaaaange Zeit braucht, Jahrmillionen also. Es handelt sich um die Aktivierung vorhandener Gene.

Jetzt ist viel zu schön in meinem Schildkrötenpark um weiterzuschreiben, ich geh zu meinen Kröten und schreibe am Abend, was das mit Höckerbildung zu tun haben könnte.

Liebe Grüße!

Herbert