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Dies ist die Zusammenfassung unserer Diskussion Schlüpflinge, Lampen und Höcker
Ausgangsthese: Der Einsatz von Strahlern in den ersten Lebenswochen führt bei Schlüpflingen zu verstärkter Höckerbildung
Zunächst müssen wir uns darauf einigen, was wir unter „Höcker“ verstehen. Für den Grad der Ausprägung lieferte Cordula in #37 die Grundlage, die wir in der Diskussion etwas nachbearbeitet haben.
Einteilung in vier Kathegorien:
a) vollkommen glatt, tritt fast ausschließlich in der Natur auf
b) leichte Wellen „Hubbel“, Schilde haben die vorgesehene Größe, tritt in der Natur und unter menschlicher Obhut auf
c) deutliche Höcker
d) starke Deformierung: Wirbelschilde klein, Rippenschilde und Marginalschilde verhältnismäßig groß, Wirbelsäule flach
Die Ausprägung von Höckern im natürlichen Lebensraum ist regional unterschiedlich. In Bulgarien findet man hauptsächlich Kathegorie b), in Nordgriechenland, Euböa, Korsika oder Mallorca gehören die meisten SK der Kathegorie a) an (#39, #41, #44) Wegehaupt berichtet auf seiner HP http://www.testudo-farm.de/html/hoeckerbildung.html von höckerigen Schildkröten auf Sardinien.
Zehn Diskussionsteilnehmer haben langjährige Erfahrungen mit der Inkubation von Europäischen Landschildkröten. (Dennis, Bali, graeca63, Mayer, Andreas E., christine, Emys64, Andreas E, Hannelore, gunda)
Trockene Aufzucht begünstigt Höckerbildung
Fast alle oben genannten Züchter bestätigen aus eigener Erfahrung einen signifikanten Zusammenhang zwischen Umgebungsfeuchtigkeit und glattem Wachstum. In früheren Jahren setzten sie – entsprechend dem damaligen Erkenntnisstand - Strahler ein. Die Nachzuchten waren damals höckeriger als heute. Es traten Höcker der Kathegorie b) und c) auf.
Heute setzen nur noch zwei Diskussionsteilnehmer Lampen ein, und auch nur, um eine flächige Wärme zu erzeugen.
Auf mehreren Fotoreihen wurde das Wachstum früher und heute gegenüber gestellt: #2, #4, #11, #35, #45, #70
Dem gegenüber steht die Frage von Emys64, warum Wasserschildkröten in Zoos manchmal höckerig sind. Feuchtigkeit dürfte doch hier ausreichend vorhanden sein. Möglicherweise sind hier auch Strahler Schuld, unter denen die Tiere unnatürlich viel Zeit verbringen.
Es wird auch erwähnt, dass bei Ivo in Bulgarien die Schlüpflinge sehr trocken aufwachsen - wobei während der Schlupfsaison meist Regenwetter vorherrscht, es also in den ersten Lebenswochen auch feucht ist. Weil sie stets im Freien übernachten (und nicht in einem Frühbeet), sind sie dem Tau ausgesetzt, der sich morgens auf ihren Panzern niederschlägt.
Die Rolle der ersten Tage oder Wochen
Dass besonders die ersten Tage/ Wochen eine Rolle spielen berichten Gunda, Emys64, Mayer aus eigener Erfahrung.
Die Umgebungsfeuchtigkeit in den ersten Wochen scheint also der Hauptgrund für Höckerbildung zu sein. Aber offensichtlich gibt es weitere Auslöser.
Es wurden im Laufe der Diskussion über allerlei weitere Ursachen für Höckerbildung spekuliert, die im Folgenden aufgeführt sind:
Hohe Nachttemperaturen:
Siehe dazu die Zusammenfassung des Artikels "Heinrich/Heinrich „Effect of supplemental heat in captive African leopard tortoises...“ von H.J. Bidmon in „Schildkröten im Fokus 1/17. Hier geht es um eine vergleichende Studie, bei der mit Lampen bestrahlte tropische Landschildkröten signifikant höckeriger wurden als ihre nicht bestrahlten Artgenossen. Es wird die Rolle einer deutlichen Nachtabsenkung hervorgehoben. Die Rolle von abgesenkten Nachttemperaturen taucht auch auf W.Wegehaupts HP auf. Eigene Erfahrungen der Diskussionsteilnehmer fehlen bislang.
Inkubationsmethode
Den Fotos und Schilderungen von Andreas E steht die seit 2014 laufende Entwicklungsstudie gegenüber, bei der die Inkubationsmethode und die weitere Entwicklung der Tiere gegenübergestellt wurde. Bisher gibt es keinen Hinweis auf einen Zusammenhang.
Schnelles Wachstum
Ein Einflussfaktor ist schnelles Wachstum, wie die Beispiele von Andreas E und mir zeigen. Es handelte sich beides Mal um relativ höckerfreie Thb-Weibchen, die kurz vor der Geschlechtsreife enorm an Gewicht zugelegt und Höcker entwickelt hatten. Weitere Beispiele liefern Hannelore #67 und graeca63 in #70.
In Gebieten mit ganzjähriger Futterverfügbarkeit wie Bulgarien, scheinen die Tiere „höckeriger“ zu wachsen
Vererbung
Auch erbliche Veranlagung scheint eine gewisse Rolle zu spielen, wie Christine bei ihren eigenen Schildkröten festgestellt hat und mit Fotos in #24 darlegt. Eindeutig ist, dass die Tendenz zur Höckerigkeit von der Art abhängt. T.hermanni neigt stärker zu Höckerbildung als T.graeca., T.marginata oder T.horsfieldii.
Klima
Ivos Theorie: Durch Höckerwachstum wird die Oberfläche des Panzers vergrößert. Je weniger Sonne desto größer die „Hubbel“ Dies könnte sich allenfalls auf Wärme beziehen, denn UVB nehmen sie nur durch die Haut auf. Die Theorie wird durch unsere früheren Erfahrungen widerlegt. Als die Schlüpflinge noch ausgiebig mit Lampen bestrahlt wurden, waren ihre Höcker signifikant größer. Vgl. auch #46 von Emys64 und #70 von graeca63.
Wegehaupt schreibt von Thh auf Sardinien, die aufgrund einer langen Dürreperiode höckerig geworden sind.
Zu viel UV/ zu wenig UV
Führt eine zu schnelle oder zu langsame „Aushärtung“ des Skeletts zu Höckern? Es gibt Hinweise, dass Höcker eher bei UV-Mangel entstehen. Siehe #78 und #83 (DDR-Schildkröten)
Schlupfzeitpunkt
Belegbare Erfahrungen von christine #76 und gunda #86 zeigen, dass früh geschlüpfte SK nicht höckeriger werden als spät geschlüpfte.
Zu viel oder zu wenig Protein in den ersten Lebenswochen
Denkanstoß von Hannelore #80. Vermutlich besteht kein direkter Einfluss, denn die Verfügbarkeit von tierischem Protein dürfte bei uns und in den Mittelmeerländern gleich hoch sein.