Weil gerade in einer Rubrik nachgefragt wurde, was eine Art ist, schreib ich hier eine kurze Bemerkung.

Die Definition "Art - Unterart" ist äußerst schwierig und kontroversiell. Siehe die Definitionen in Wikipedia. Die älteste, und auch heute noch verwendete Definition ist abgekürzt folgende: Eine Art ist, was sich untereinander kreuzt und fruchtbare Nachkommen hervorbringt.

Demnach wären der Halflinger und der Lipizzaner eine Art, nicht aber Esel und Pferd, weil deren Nachkommen unfruchtbar sind.

Dann wäre alle europäischen Landschildkröten eine Art, selbst unter Einrechnung der Russen. Diese Behauptung findet man auch manchmal in der Fachliteratur.

Eine Erweiterung dieser Definition ist, wenn man die Frage mit einbezieht, ob sich die entsprechenden Tiere in der Natur auch realiter paaren und fortpflanzen. Beispiel: Eine russische Landschildkröte und eine Hermanni hermanni werden nie unter natürlichen Verhältnissen aufeinander treffen. Das wären also zwei verschiedene Arten nach dieser erweiterten Difinition.

Wenn z.B. in der Natur zwei Tiergruppen nebeneinander leben, aber sich nie verpaaren, spricht man bei der erweiterten Definition auch von zwei Arten. Das scheint z.B. bei Boettgeri und Iberas der Fall in Bulgarien zu sein. (Eine Exkursionteilnehmerin nach Bulgarien schwört aber einen Mischling gesehen zu haben, jedenfalls ist das aber nichts Alltägliches, sondern die Ausnahme).

Dazu kommt, dass Kreuzungen zwischen den verschiedenen Arten der europäischen Landschildkröten schon Einschränkungen haben: Die Fruchtbarkeit ist wesentlich geringer und die Sterblichkeit der Schlüplinge größer. Auch Missbildungen kommen bei Bastarden häufiger vor. Die Natur scheint also selbst nach der engen Definition hier auf dem Wege zur Aufspaltung in verschiedene Arten zu sein.

Es ist aber erstaunlich, dass man in der Natur bei Einzeltieren immer wieder auf Eigenschaften stößt, die für eine andere Art typisch sind. Das kann natürlich Resultat einer Hybridisierung sein, kann aber auch ein gemeinsames Erbe von gemeinsamen Vorfahren sein. Jedenfalls scheinen, wenn man im Internet der wissenschaftlichen Literatur nachstöbert, Kreuzungen in der Natur vorzukommen, wenn sie auch äußerst selten und die Ausnahme sind.

Und es gibt viel mehr Lokalformen, als wir annehmen. Fast jede Population hat ihre Eigenheiten. In Bulgarien trifft man z.B. Boettgeris, die Eigenschaften haben, die sonst hauptsächlich bei Hercis vorkommen. Auf dem Südbalkan soll es eine Population geben oder gegeben haben, von der man nicht weiß, ab es nun Boettgeri oder Iberas sind.

Andereseits kann jeder, der sich länger mit Schildkröten befasst auf Anhieb sagen: Das ist eine Ibera, das ist eine Hermanni. Ohne sich darüber Rechenschaft abzulegen, warum.

Die Frage, wie Hybridisierungen zu werten sind, ist eine fast ethische. Jedenfalls werden bewusste Hybridenbildung von fast allen Rechenschaft ablegenden züchtenden Schilfkrötenhaltern abgeleht, obwohl sie passieren.

Liebe Grüße!

Herbert