In Foren und Schildkrötengruppen liest man immer wieder, dass man die Temperaturen des eigentlichen Herkunftsgebiet nachstellen muss.
Keine Frage, im Prinzip stimmt das ja auch, abgesehen von gelegentlich unnatürlichen Extremtemperaturen, die auch in den Habitatsländern vorkommen.
Im Frühling und im Herbst, wenn es bei uns meist (nicht immer!) kühler als in den Herkunftsgebieten ist, funktioniert das mittels Gewächshaus und entsprechenden Lampen und anderen Heiztechniken meistens auch recht gut. Auch die Überwinterungsgrube lässt sich durchaus mittels Deckelheizung u.s.w. auf eine konstante Temperatur halten, was meiner Meinung nach völlig unnötig ist, das ist aber ein eigenes Thema!
Was ist aber mit den hohen Sommertemperaturen? Während wir bei uns meist angenehme Sommertemperaturen genießen sieht das Klima in den Herkunftsländern meist ganz anders aus. Heiß, trocken aber eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Ein Klima, welches die Tiere dort in eine, zumindest zeitweise, Ruhephase zwingt. Dieses Klima schaffen wir im Gewächshaus auch sehr gut, nur bleibt uns da keine unserer Schildkröten im Gewächshaus, auch sie lieben die viel angenehmeren Temperaturen des Außengeheges.
Meine Überlegung: Wie extrem müssen/sollen wir unseren Tieren die Übergangstemperaturen anpassen?
Für mich ist es auch heuer wieder ein Leichtes, da das Wetter in Österreich und die Sonne in meiner höher gelegenen Wohngegend gemeinsam mit dem Gewächshaus sehr meinen Klimatischen Vorgaben sehr entgegen kommt.

Das Thema "Klima nachahmen" beschäftigt mich schon lange. Bisher warte ich vergeblich auf die große Erleuchtung.
Jedoch habe ich durch jahrzehntelange Beobachtungen meiner Schildkröten, durch Reisen in die Habitate und durch den Austausch mit Menschen die dort wohnen zumindest einige Grund-Erkenntnisse.

1) Die Temperaturen sind nur eine Facette des Klimas, die man nicht separat betrachten kann. Temperatur, Niederschlag (Lufteuchtigkeit, Regen) und Sonneneinstrahlung (Licht/ Tageslänge) bilden zusammen das Klima.
2) Es gibt nicht DAS Habitat, sondern mehrere sehr verschiedene. Allen gemeinsam ist, dass es im Durchschnitt wärmer ist als in Mitteleuropa.
3) Thb und Thh habe ich in der Wildnis fast nur im Schatten gefunden. Thb sogar häufig im Wald und immer an Orten, wo Wasser verfügbar war. Tgi und Tm habe ich vorwiegend auf trockenen Ebenen gesehen. T.hors. habe ich noch nicht in freier Wildbahn beobachtet.
4) Ich glaube nicht an den Mythos, dass Europäische Schildkröten sich täglich auf 35°C aufheizen müssen, um ihre Nahrung zu verstoffwechseln. Meine Beobachtung ist, dass sie solch hohen Temperaturen ausweichen. Auch aktuell auf Mallorca habe ich keine einzige Thh in der prallen Sonne gefunden. Alle saßen unter Sträuchern oder im hohen Gras. Ich habe mit dem IR-Thermometer Umgebungstemperaturen von 22 - 26°C gemessen. die Panzer erwärmten sich auf 26 - 29°C. (Ja! Ich bin mit dem IR-Thermometer durch die Büsche gekrochen).
5) Deswegen ist es auch Quatsch, die Temperaturen von irgendeiner Stadt in der Nähe zugrunde zu legen. Die Wetterstationen messen normalerweise 2m über dem Boden. Besonders nachts ist der Unterschied zwischen Stadt und Land groß. Auf einer Wiese (am Boden, wo die SK sitzen) entsteht Verdunstungskälte, während in einer Stadt die Gebäude sich tags aufheizen und nachts Wärme abstrahlen.
6) Es gibt verschiedene Beispiele für Nierenversagen oder Gicht bei zu kalt gehaltenen SK. In der veterinärmedizinischen Fachliteratur wird zu kalte Haltung als Ursache angegeben. Wo beginnt zu kalt? Kommen bei diesen Erkrankungen vielleicht mehrere Faktoren zusammen, z.B. gleichzeitig Trockenheit?

Für die Haltung meiner Thb und Thh bedeutet das: Moderates Heizen im September/ Oktober und März/April in Frühbeeten und Gewächshaus. Nachts heize ich nicht. Meine SK haben immer die Möglichkeit, das Gewächshaus zu verlassen, werden nicht eingesperrt.