In meiner Facebookgruppe "Schildkrötengarten" habe ich die Rubrik "Futterpflanze der Woche" ins Leben gerufen. Ich stelle jede Woche eine neue Futterpflanze für Griechische Landschildkröten vor - immer passend zur Jahreszeit. Ich habe bewusst Pflanzen ausgesucht, die auch von T.hermanni boettgeri gefressen werden. Sie sind ja bekanntlich besondere Leckermäuler - wesentlich wählerischer als Tgi, Thh und die verfressenen Horsfieldii. Die Aktion läuft jetzt bereits 8 Wochen. Durch das Thema Gehege / Futter / Überwinterung (11) kam ich darauf, dass es auch einige von euch interessieren könnte.

Anfang Februar ging es los mit der...

... Futterpflanze der Woche#1 Die Wilde Karde (Dipsacus silvestris) Während bei eisigen Februar-Temperaturen vieles andere erfriert, überlebt die Karde als Rosette mit langer Wurzel. Für Europäische Landschildkröten, die aus Krankheitsgründen keine Winterruhe halten dürfen, dient die anspruchslose Pflanze als willkommenes Frischfutter. Einfach mit Wurzel ausstechen und ins Terrarium pflanzen. Im Gehege knabbern die Schildkröten gern an den jungen Blättern, lassen jedoch genug stehen, so dass die Pflanze weiter wachsen und ihre dekorativen Blüten bilden kann. In den Blattachseln sammelt sich in trockenen Zeiten das Wasser. Im Sommer trinken Vögel daraus. Die ausgewachsenen Pflanzen sind extrem stachelig. Vorsicht! Es empfielt sich die ausgereiften Blütenköpfe mit den Samen frühzeitig abzuschneiden und und nur 2 oder 3 stehen zu lassen, denn die Pflanze ist extrem vermehrungsfreudig.

Futterpflanze der Woche#2 Der Dach-Hauswurz (Sempervivum tectorum) stammt aus den Alpen. Er ist winterhart, steht also das ganze Jahr über als Futter zur Verfügung. Im Schildkrötengehege überlebt er allerdings nicht lange, denn die hungrigen Mäuler fressen gern die wasserspeichernden Blätter dieser Sukkulenten. Also besser außerhalb des Geheges in Tontöpfe oder in Pflanzsteine setzen! Die Pflanze ist sehr anspruchslos. Sie verträgt Trockenheit, aber auch Feuchtigkeit. Sie wächst fast ohne Erde auf Dächern und Geröll, gedeiht aber auch in humosen Gartenbeeten. Die Vermehrung erfolgt am einfachsten über Ableger.
Sempervivum tectorum ist eine alte Heil- und Hexenpflanze. Er soll angeblich das Haus vor Blitzschlag schützen. Als Heilpflanze kann er ähnlich wie Aloe Vera eingesetzt werden und hilft bei kleineren Wunden, Verbrennungen, Entzündungen.
Hildegard von Bingen meinte, dass Hauswurz „bei Mann wie bei Frau Begierde entbrennen lasse“. Für zeugungsunfähige Männer empfahl sie in Ziegenmilch eingelegte Hauswurz. Jetzt wisst ihr Bescheid!

Futterpflanze der Woche #3 Feldsalat (Valerianella) Erst im letzten Jahrhundert ist diese Wildpflanze zur Kulturpflanze geworden. Der "Unkrautcharakter" von Feldsalat zeigt sich, wenn man im Sommer eine samentragende Pflanze stehen lässt. Im folgenden Jahr nach der Schneeschmelze entwickeln sich nicht nur auf den Gemüsebeeten, sondern auf Wegen und zwischen Steinplatten massenhaft zarte Pflänzchen. Sie sind äußerst winterhart und vertragen Frost bis -15°C. Deine Schildkröte mäkelt herum und hat nach der Winterstarre keinen Appetit? Versuch es mal mit Feldsalat!. Meine Schildkröten finden ihn in jedem Stadium unwiderstehlich - auch als blühende Pflanze bis etwa Mitte Juni. Carolin Dennert weist in ihrem Buch "Ernährung von Landschildkröten" auf das ungünstige Calcium-Phosphor-Verhältnis hin, d.h. Feldsalat ist ein Calcium-Räuber. Er sollte nicht in Massen gefüttert werden. Als Beifutter und wenn die Schildkröte jederzeit Zugang zu einer Calcium-Quelle (z.B. Sepia) hat, braucht man aber nicht befürchten, dass dem Schildkrötenorganismus übermäßig Calcium entzogen wird.
Andere Bezeichnungen: Rapunzel, Vogelsalat, Nüsslisalat, Ackersalat

Futterpflanze der Woche #4 Rauhe Gänsedistel (Sonchus Asper) - eine der wenigen Futterpflanzen, die schneller wächst als eine Schildkröte fressen kann. Gänsedisteln stehen bei Landschildkröten ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Alle Teile werden gern gefressen: Blätter, Stängel, Knospen, Blüten und Samenstände. Die Stacheln scheinen die Schildkröten nicht im Geringsten zu stören. Alle Gänsedisteln blühen gelb und bilden "Pusteblumen" aus.
Sonchus asper überwintert als Jungpflanze und steht schon im zeitigen Frühjahr zur Verfügung. Momentan findet man die kleinen Rosetten vom vorigen Herbst im Gehege, auf Wiesen, Äckern oder im Gemüsegarten. Bis August bietet sie ballaststoffreiches Futter. Im Spätsommer werden Gänsedisteln oft von Mehltau oder Läusen befallen. Ältere Pflanzen werden dann unansehnlich und entwickeln kein kräftiges Laub mehr. Im Gehege keimen zu diesem Zeitpunkt bereits Jungpflanzen, so dass man die alten Pflanzen abschneiden oder herausreißen kann.

Futterpflanze der Woche #5 Der Kriechende Hahnenfuß (Ranunculus repens) ist als Futterpflanze etwas umstritten, weil Schildkrötenhaltern von einigen Experten nicht zugetraut wird, giftige und ungiftige Hahnenfußarten auseinanderzuhalten. Im zeitigen Frühjahr ist die Unterscheidung jedoch sehr einfach (Siehe Fotos).
Er gehört zu den ersten Futterpflanzen des Jahres. Sogar stärkerer Frost kann ihm nichts anhaben. Direkt nach der Winterstarre sind Schildkröten verrückt danach. Selbst mäkelige Tiere bekommt man damit zum Fressen. Da um diese Jahreszeit die Auswahl an Wildpflanzen noch nicht sehr groß ist, bietet der Kriechende Hahnenfuß eine wertvolle Abwechslung.
Im Laufe der Vegetationsperiode reichert sich das Alkaloid Protoanemonin in der Pflanze an – allerdings im Gegensatz zu anderen Hahnenfußarten enthält Ranunculus repens nur wenig davon. Vor der Blüte verfüttere ich ihn ohne Bedenken - natürlich nicht in rauhen Mengen oder als Alleinfutter.
Er ist ein Stickstoffanzeiger und gedeiht auf schweren verdichteten Böden.
Eine interessante Beobachtung machten die Wissenschaftler Longepierre&Grenot 1999. Sie beobachteten, dass Schildkröten vor einer Entwurmung große Mengen Ranunkel-Gewächse zu sich nahmen, zu denen auch der Hahnenfuß gehört, während sie nach der Entwurmung auf ungiftige Korbblütler umstiegen.

Futterpflanze der Woche #6 Der Rainkohl (Lapsana communis) ist kein Kohl sondern ein Korbblütler. Er ist eine unscheinbare Pflanze, die bestimmt jeder schon gesehen hat, die man aber schnell wieder vergisst. Fast jeder hat Rainkohl irgenwo im Garten. Er wächst an Wegrändern, an Schutthaufen und sogar in Betonfugen der Großstadt. Auf stickstoffreichen Böden tritt Rainkohl in solchen Massen auf, dass selbst die gefräßigsten Schildkröten nicht dagegen ankommen.
Rainkohl verträgt leichten Frost. Schon im zeitigen Frühjahr kann man die rosettenförmig angeordneten Blätter pflücken. Im Mai wächst er in die Höhe. Im Juni kurz bevor die kleinen gelben Blüten erscheinen, ist die Blattmasse am größten. Danach wird die Pflanze holzig, eignt sich aber trotzdem noch als faserreiches Beifutter. Im Herbst wird die Pflanze unansehnlich. Die Samen haben sich bereits großflächig verteilt, um entweder noch vor Wintereinbruch oder im zeitigen Frühjahr zu keimen.

Futterpflanze der Woche #7 Nachtviole (Hesperis matronalis)
Ein Kreuzblütler. Zur Zeit sind die Blätter dieser mehrjährigen Pflanze schon relativ groß. Sie werden um diese Jahreszeit gern von meinen Thb gefressen. Ab Ende April entwickeln sie einen Geschmack, den die Schildkröten anscheinend nicht mögen. Dafür entfalten sich rosa Blüten, die mehrere Wochen blühen und abends wunderbar duften. Die Aussaat ist etwas heikel. Mein Erfahrung ist, dass nur wenige Samenkörner keimen. Besser man besorgt sich eine Pflanze im Topf, pflanzt sie ein und lässt sie stehen, bis sich die Samenschoten bilden. Die Samen verteilen sich und suchen sich gern selbst ihren Platz. Im Folgejahr tauchen dann Nachtviolen irgendwo an unerwarteten Stellen auf.

Futterpflanze der Woche #8 Efeublättriger Ehrenpreis (Veronica hederifolia)
Ein bescheidenes Pflänzchen mit filigranen Blättern und winzigen bläulich weißen Blüten. Zur Zeit trifft man das unscheinbare Gewächs überall, besonders auf Gemüse- und Blumenbeeten, die für die Aussaat vorbereitet wurden. Die Samenkapseln enthalten ein ölhaltiges Sekret, um Ameisen anzulocken, die dann die Samen verbreiten. Also keine empfehlenswerte Gehegepflanze! Im Sommer verschwindet der Efeublättrige Ehrenpreis von der Bildfläche.
Vor der Blüte bis Mai kann man den Efeublättrigen Ehrenpreis verfüttern, um Abwechslung auf die Speisekarte zu bringen. Große Schildkrötenmägen bekommt man damit allerdings nicht voll. Im Gegensatz zum Gamander Ehrenpreis und zum Persischen Ehrenpreis enthält er nur wenige Saponine und ist daher nicht giftig.

Futterpflanze der Woche #9
Der Klatschmohn (Papaver rhoeas) ist die Pflanze, nach der momentan gefühlt am häufigsten gefragt wird. Vor dem Klimawandel zeigten sich in Nordeuropa die ersten zarten Pflänzchen nicht vor April. Nach diesem besonders milden Winter ist alles anders. Die Jungpflanzen vom letzten Herbst überlebten als Rosette und bilden zur Zeit in rasendem Tempo üppiges Grün.
Vom Klatschmohn können alle Pflanzenteile verfüttert werden. In Schildkrötenkreisen ist Mohn als Futterpflanze umstritten, da er im Laufe der Wachstumsperiode Alkaloide ausbildet. Reptilien besitzen jedoch eine höhere Toleranz für Alkaloide als Säugetiere (Dennert, 2008) Ich füttere Mohn seit Jahren und konnte keine negativen Auswirkungen feststellen. Klatschmohn kommt in Schildkrötenhabitaten am Mittelmeer millionenfach vor und dient dort als Futterpflanze, wie ich selbst beobachten konnte.
Mohn ist ein Lichtkeimer und kann ganzjährig ausgesät werden. Als Pionierpflanze besiedelt er Schutthalden, frisch bearbeitete Gartenbeete oder Feldränder. Hier säht er sich tausendfach selbst aus. Die Samen bleiben jahrelang keinfähig. Er wächst am üppigsten auf kalkhaltigem Lehmboden, ist aber nicht wählerisch. Nur auf grasbewachsenen Flächen wartet man vergeblich bis die Saat aufgeht.

Die Pflanze der Woche #10 ist eine relativ unbekannte Pflanze: WURMLATTICH oder NATTERNKOPF-BITTERKRAUT (Helminthotheca echioides) Sie ist im Südöstlichen Europa beheimatet, aber als Neophyt Richtung Nordwesten auf dem Vormarsch, wie mir Extrembotaniker Jürgen Feder bestätigte.Bei mir landete sie wahrscheinlich mit einer Portion Samen aus Bulgarien. Die Blätter werden in der Naturheilkunde gegen Wurmbefall bei Mensch und Tier eingesetzt. Meine Thb fressen die rauhen Blätter sehr gern. Ob sie deshalb relativ weniger Würmer haben? Ich will es mal glauben... Beschreibung: Im zeitigen Frühjahr erscheinen die Blätter als ordentliche Rosette. Nach der Blütenbildung sieht das Gewächs ziemlich zerzaust aus, ist also nicht gerade eine dekorative Zierpflanze. Die ersten unscheinbaren gelben Blüten erscheinen im Juli. Die Samenstände erinnern an kleine Wattebäusche. Die gesamte Pflanze ist mit kleinen Borsten überzogen. Die Kultur ist nicht ganz einfach. Das Aussähen ist mir bisher nicht gelungen. Jedoch samen sich immer einige Exemplare selbst aus - vorzugsweise in Gemüsebeeten.

Futterpflanze der Woche #11 Süßkirsche und Vogelkirsche (Prunus avium) Zur Zeit blüht in den Gärten die Süßkirsche und in lichten Wäldern die eng verwandte wilde Vogelkirsche. Die weißen Blüten sind echte Leckerbissen. Besonders junge Schildkröten stürzen sich darauf. Die Blätter bilden im Mai und Juni ein ballaststoffreiches Beifutter. Im Spätsommer werden Kirschblätter nicht mehr gefressen.